Susanne Wagner
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Nervsprech: 10 Ausdrücke, die mir auf den Wecker gehen [#Blogparade­­Sprachverhunzung]

#BlogparaceSprachverhunzung Titel: Nervsprech. 10 Ausdrücke, die mich nerven. Titelbild: Wecker

Nicole Isermann ist Fachjournalistin, Online-Redakteurin und Bloggerin. Sie ruft zur Blogparade auf: «Geht unsere schöne Sprache den Bach runter? Diese 08/15-Formulierungen, Business-Floskeln, Fehler oder Jugendsprech-Ausdrücke gehen mir so richtig auf den Nerv!» und will wissen, was mich sprachlich nervt.

Jaaaa, da geht mir so einiges auf den Wecker. Ich weiss, ich mache längst nicht alles richtig und die Generationen vor mir würden sich auch «an den Kopf langen», wenn sie meine Sprache hörten. Und: Ich bin Schweizerin, spreche Züritüütsch [Zürcher Mundart] und liebe meinen Dialekt. (Ok, auch fast alle andern Dialekte!)

Gerne teile ich hier, was mir tagtäglich gedruckt oder gehört begegnet, das mir auf den Wecker geht, weil es mir in den Ohren oder Augen wehtut und ich mit einer anderen Sprachform identifiziert bin. Warum bin ich da sensibel? Das ist eine Antwort darauf [Sprache ist die Kleidung der Gedanken]:

«Language ist the dress of thought.»

Samuel Johnson

10 Ausdrücke, die mir auf den Wecker gehen

«Auf den Wecker gehen» bedeutet «auf die Nerven gehen». Ich kann mir vorstellen, dass ein laut schrillender Wecker frühmorgens einfach nervt. Vom Gegenteil – dem freudigen Aufstehen und Start in den Tag – berichte ich im Artikel zu einer anderen Blogparade. Nun aber los mit meinem Nervsprech-Rant!

  1. vermehrt. Mein meist gehasstes Füllwort. Ich treffe es überall an. Vermehrt auch in Büchern. Es vermehrt sich stündlich, so kommt es mir vor. Synonyme im Angebot: forciert, gehäuft, häufig, wiederholt.
  2. scheinbar. Das höre und lese ich unglaublich häufig: Er ist scheinbar krank. Gemeint ist anscheinend und nicht der malade imaginaire. «Scheinbar» eine schwierige Sache, die duden.de für uns klärt.
  3. Lese hier weiter. Gebe deinen Namen ein. Treffe clevere Entscheidungen. Fresse und sterbe.
    NEEEIIIIIN! Lies, gib, triff, friss und stirb. Letzte Woche leider ein treffe anstatt triff in einem gedruckten Buch eines renommierten Verlags gefunden! Ächz. Darüber habe ich mich auch schon in meinen Fun Facts aufgeregt 🤣
Plakat im Schaufenster: Wir suchen neue Mitarbeiter*innen. Bewerbe dich unter:
  1. quasi und irgendwie. Das ist quasi irgendwie einfach unvermeidlich und ich ertappe mich selbst auch dabei … irgendwie unheimlich und quasi ansteckend, sobald ich meine Aufmerksamkeit darauf richte, komme ich nicht mehr davon weg, es zu bemerken.
  2. Ja voll! Im öV gehen mir die Ja voll!-Litaneien auf den Geist. O-Ton geht so:
    A: Blabla
    B: Ja voll!
    A: Blablabli
    B: Ja voll!
    … Wiederhole beliebig oft in diversen Stimmlagen.
    Einzig ein Ja eh! oder Ja Mann! kann mich dann aus dem Zuhör-Koma retten.
  3. ähm oder? Monotones Dauernerven mit ähms ist mühsam. [Deshalb schaue ich mir Videos in der doppelten Geschwindigkeit an] Oder?
    Die Zürcher? Unsitte, nach jedem Sätzli ein oder? anzufügen nervt ebenso. Ich mache das bestimmt auch und merke es nicht einmal. Erwischt … Gibt’s ja den Witz: Wie macht eine Ente? – Quaack. Wie macht eine Ente in Zürich? – Quaak, oder?
  4. Bisch behindert? Finde ich voll daneben. Ein unsägliches No-Go. Auch im öV täglich in meinen armen Ohren. Doppelnerv-Potenzial: Der Gebrauch des Wortes behindert in dieser achtlosen und herablassenden Art und Weise. Dazu respektlos und ein Affront für jene Menschen unter uns, die ihren Alltag trotz «Behinderung» meistern. Und: meine Dialektohren leiden an der Eindeutschung. Wenn schon heisst es behinderet.
  5. Die eingedeutsche Wortstellung im Dialekt schmerzt mich. Häsch das mache chönne?
    Bitte. Für meinen Seelenfrieden: Häsch das chönne mache? [Konntest du das machen?]
  6. D Haare, d Männer, d Rösser. Die Mehrzahl nagt an meinen Nerven. In meinem Dialekt heisst der Plural von Haar einfach Haar, von Mann eben Manne, von Ross schlicht Ross. [Haare, Männer, Pferde] Alles andere ist übergeneralisiert.
  7. In meiner Mundart heisst es: Zwe Manne, zwo Fraue, zwei Chind. Drei Manne, drei Fraue, drü Chind [Zwei Männer/Frauen/Kinder, drei Männer/Frauen/Kinder]. Diesen Unterschied macht nicht einmal mehr mein sechs Jahre jüngerer Bruder. Also muss ich diese sprachliche Feinheit, die ich liebe, als ausgestorben akzeptieren?! Sagt jemand zu mir: Gsesch die zwe det äne? [Siehst du diese zwei dort drüben?] – Ich schaue und schaue, weil ich nach zwei Männern Ausschau halte …

Oh, es gibt noch so viel mehr. Fake Englisch, zum Beispiel. Ich muss wohl einfach akzeptieren, dass ich alt werde. Trennfehler können auch ganz schön weh tun. Darüber amüsiere ich mich aber auch gerne mal. Oh, was mich auch nervt ist, wenn Radiosprecher hörbar nach Luft schnappen. Egal, was sie dann sagen, beim Zuhören stockt mir der Atem.

Als Atemtherapeutin finde ich es wichtig, passende Sprache zu verwenden. Zum Beispiel leite ich an, in einer Dehnung zu verweilen. Sagt mir jemand, ich solle in einer Dehnung verharren, halte ich automatisch den Atem an. Sprache muss passen: Entspannen trifft es nicht, ich bevorzuge lösen. Loslassen ist mir zu bodenlos und ungewiss, ich verwende tragen lassen. Vom Luft holen habe ich mich schon lange verabschiedet, ich nenne es den Einatem kommen lassen.

Welche Unterschiede macht es für dich, je nachdem, welche Formulierung gewählt wird? Welche Ausdrücke nerven dich? Schreib mir in den Kommentar, wie das bei dir ist mit Sprache. Was triggert dich? Wo ist deine Schmerzgrenze? Was findest du unmöglich? Hinterlasse im Kommentarfeld eine Erfahrung, die du tagtäglich mit Sprache machst.

Wecke deinen Atemsinn mit einer Zufallsmikropause 🥱

Atemfluss statt Atemstau

Erlebe dich ⏳ in einer Minute zwischendurch

  • als ganzer Mensch
  • immer wieder neu
  • mit allen Sinnen

… damit es dir gut geht vor dem Bildschirm 👣

 

Teste jetzt eine Zufallspause
  • Liebe Susanne,
    eine schöne Sammlung an nervigen Dingen hast Du zusammengestellt.
    Bei Deiner Nr. 3 hielt ich kurz inne und fragte mich: Hat sich dieser falsche Imperativ bei mir eingeschlichen? Ich nehme dies als Anregung mit und werde das in den nächsten Wochen verstärkt bei mir beobachten. Danke für den Impuls!
    Zur Nr. 6: Als Nicht-Schweizerin, die den Züricher Dialekt selten hört, finde ich das “odrrr” sympatisch; ich gleichzeitig verstehen, dass dies auf die Dauer nervig ist.
    Nr. 7: Geht gar nicht und spreche ich schon seit vielen Jahren an, wenn ich das höre.

    Herzlichen Gruß aus Limburg
    Manuela

    • A
      Susanne von Atemhaus Wagner

      Liebe Manuela
      Vielen Dank für deinen Kommentar! Ja, ich beobachte mich selbst auch oft und frage mich, was sich denn bei mir so alles eingeschlichen hat. Womöglich genau das, was ich so öffentliche moniere … 🤣
      Mit Limburg verbinde ich irgendwie Käse, weiss nicht einmal, ob das überhaupt zutrifft?
      Herzlich, Susanne

      • Liebe Susanne,

        die Stadt Limburg a. d. Lahn in Hessen, DE ist meine Wahlheimat. Diese hat nichts mit dem Käse zu tun. Als mich erstmals jemand auf den Limburger Käse ansprach, musste ich selbst nachlesen: Der Limburger Käse wurde erstmals im Herzogtum Limburg (heute Belgien) hergestellt (s. Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Limburger); er hat also nichts mit Limburg a. d. Lahn zu tun.

        LG Manuela

        • A
          Susanne von Atemhaus Wagner

          Liebe Manuela, merci für die Erklärung! Da war ich ja voll daneben mit meiner Käsefrage und doch auch in guter Gesellschaft. Nun bin ich aufgeklärt, spannend, die Geschichte. Herzlich, Susanne

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