Hey Bildschirmgucker:in!

Selbstregulation beginnt im Körper – nicht im Kopf. 3 Gründe, warum Bottom-up-Regulation dein Nervensystem wirksam beruhigt

Bottom-up-Regulation: Menschlicher Körper schematisch dargestellt mit Nervenbahndn zwischen Hals und Rumpf
Atemtherapie • Atemübungen • Mikropausen •

Top-down-Regulation ist die Steuerung von oben, d.h. vom Kopf zum Körper über Gedanken und Willensanstrengung. Bottom-up-Regulation ist die Steuerung von unten nach oben, d.h. vom Körper aus zum Kopf, v.a. mit den nicht willentlich steuerbaren Elementen des Nervensystems.

Erfahrung ist wichtiger als Erklärung: Was dein Körper kommuniziert, glaubt dein Kopf sofort. Umgekehrt nicht. Du kannst dir noch lange sagen «Ich bin entspannt.», solange dein Herz rast und du alle Muskeln anspannst, kommt das nicht an. Sobald du ruhig wirst, sich dein Atem beruhigt, wird es auch dem Kopf klar: Nun bist du sicher!

In diesem Artikel erkläre ich dir, wie dein Körper dich «von unten nach oben» in den Kopf reguliert, warum diese Bottom-up-Regulation intensiv wirkt und warum dein zugelassener, freier Atem dabei eine Schlüsselrolle spielt, damit die Ruhe bei dir im Kopf ankommt. Als Atemtherapeutin vermittle ich Körper- und Atemerfahrungen, die genau dies bewirken: Eine Bottom-Up-Regulation.

Was ist Bottom-up-Regulation?

Bottom-up bedeutet: von unten nach oben. In der Regulation heisst das, wir starten beim Körper, bei Empfindungen, Bewegungen, Atem – und bringen von dort aus das Gehirn und die Gedanken zur Ruhe. Diese Art von Regulation geschieht dir auch ständig ganz unbewusst.

Was bedeutet das? Anstatt mit dem Kopf deine Befindlichkeit und Stimmung steuern zu wollen, erlaubst du deinem Körper, Erfahrungen von Sicherheit zu machen. Diese Erlebnisse werden dann vom Kopf an den Körper kommuniziert, dein Nervensystem bekommt die Info, dass es herunterfahren kann.

Mit Nervensystem ist hier das vegetative oder autonome Nervensystem gemeint. Es regelt unzählige Abläufe in deinem System, die ständig dafür arbeiten, dass es dir gut geht und du am Leben bleibst, mit den aktuellen Situationen gut umgehen kannst und dabei zwischen Aktivität und Ruhe eine Balance findest. Zentrale Akteure dabei sind der Sympathikus und der Parasympathikus, insbesondere der Vagusnerv. vgl. Polyvagal-Theorie ↗️ oder Vagusforscher Prof. Maximilian Moser im Gespräch ↗️

Wie funktioniert Regulation und Kommunikation im Nervensystem?

Im menschlichen Nervensystem gibt es zwei grosse Kommunikationsrichtungen:

  • Top-down: Die Informationen fliessen vom Kopf bzw. Grosshirn zum Rest des Körpers.
    (z. B. «Ich bin ganz ruhig und entspannt.»)
    ➡️ Ich sage mir, was ich spüren will. Solange dabei mein Herz rast und ich schweissige Hände habe, wird es wenig nützen, mir einzureden, dass ich ruhig und entspannt bin.
  • Bottom-up: Die Sinneswahrnehmung werden vom Körper ans Gehirn gemeldet.
    (z. B. «Ich spüre, dass ich sicher bin.»)
    ➡️ Ich nehme wahr, was ich spüre. Diese Empfindungen aktivieren das autonome Nervensystem. Dort, wo mein System (selbstständig aus Erfahrung) entscheidet, ob Gefahr droht und welche Reaktion gerade sicher und überlebenswichtig ist: Kampf, Flucht oder Erstarrung.

Was unterscheidet Bottom-up von Top-down?

Top-down ist oft kopflastig: Mit Logik oder Selbstgesprächen versuchst du, etwas gegen unangenehme Gefühle, gegen Angst, Stress oder innere Unruhe zu machen. Kurzfristig kann das helfen. Wenn es hart auf hart kommt, hört das Nervensystem jedoch nicht auf den Kopf, sondern auf den Körper.

Warum das Nervensystem nicht auf den Kopf hört

Sobald eine Schwelle überschritten ist (und das variiert von Mensch zu Mensch), schaltet das Nervensystem in automatische Schutzmuster. Für unser Überleben ist (war?) das evolutionär wichtig. Der moderne Mensch ist in seinem Alltag häufig und regelmässig in Situationen, die das Nervensystem als Bedrohung einordet, da es sich in den 10’000 Jahren nur in einem Bruchteil angepasst hat. Die Lebenswelt des Menschen hat sich in den vergangenen 100 Jahren enorm gewandelt. Für unser Nervensystem ist zum Beispiel Bildschirmarbeit ein Stressfaktor!

Unser Nervensystem ist für unser normales, modernes Leben also gar nicht gut gerüstet. Zusätzlich entwickelt jeder Mensch im Laufe seines Lebens Schutzmuster und prägt Reaktionsweisen aus. Diese lassen sich nicht einfach «wegdenken» und es bringt nicht viel, sich unter Stress einzureden, dass man ganz entspannt ist. Der Körper glaubt dem Kopf nicht. Umgekehrt schon: Der Kopf reagiert blitzschnell auf Informationen des Körpers.

So kannst du den Bottom-up-Ansatz zur Selbstregulation nutzen: Über Bewegung, Atem, Vibration, Ton, Temperatur ist es möglich, mit dem autonomen Nervensystem in einen Dialog zu kommen. So lernst du, als ganzer Mensch, wie du dich dort beruhigst, wo der Stress oder die Angst entsteht: im Körper bei den individuell geprägten Erfahrungsmustern.

🧠 Exkurs: Das dreieinige Gehirn – warum Bottom-up überhaupt wirkt

Um zu verstehen, warum Bottom-up-Regulation so kraftvoll ist, lohnt sich ein Blick auf das sogenannte dreieinige Gehirn (Triune Brain). Dieses Modell erklärt, wie sich unser Gehirn evolutionär entwickelt hat – und warum unser Verstand manchmal einfach keine Chance hat gegen Stress oder Überwältigung.

1. Reptiliengehirn (Stammhirn)

Das älteste Gehirnteil. Hier sitzt die Steuerung von überlebenswichtigen Körperfunktionen wie Herzschlag, Atmung, Flucht, Erstarrung. Dieser Teil des Gehirns arbeitet blitzschnell, unbewusst und vertraut auf die Informationen aus dem Körper. Genau deshalb wirkt Bottom-up bei Selbstregulation!

2. Limbisches System

Dieser Teil des Gehirns ist der Sitz unserer Emotionen und Bindungserfahrungen. Hier entscheidet sich, ob wir uns sicher, verbunden oder bedroht fühlen.

3. Grosshirnrinde

Der jüngste Teil des Gehirns ist zuständig für Denken, Planen, Sprache, Selbstreflexion. Er arbeitet langsam und verstandesbasiert. In Stresssituationen ist er oft wie gelähmt, wenn die anderen Gehirnregionen übernehmen, die auf Informationen aus dem Körper vertrauen.

Fazit: Was das Stammhirn kommuniziert, das gilt! Der Verstand hat in diesem Moment nichts zu melden (genau das ist ursprünglich ja die überlebenswichtige Stärke dieses Systems!). Da das Nervensystem des modernen Mensch ständig mit potenziellen Gefahrensituationen (Lärm, Bildschirmarbeit, Ärger und Stress …) konfrontiert ist, läuft das System heiss. Bottom-up-Regulation schafft Abhilfe und wirkt aus den tieferen Ebenen, die schneller und mächtiger sind als jede Strategie des Verstandes.

Gähnen und das dreieinige Gehirn

Das dreieinige Gehirn ist auch der Grund, weshalb Gähnen uns als Botschaft des Körper Bottom-up «überfällt». Das Gähnen entsteht im Stammhirn bei den Atemreflexen oder im limbischen System als soziale/emotionale unbewusste Antwort. Trotzdem können wir bewusst ein unpassendes Gähnen zu unterdrücken versuchen oder abschwächen, höflich hinter der Hand verbergen. Genau deshalb können wir auch – mit ein bisschen Übung – unsere Grosshirnrinde dazu einspannen, Gähnen zu provozieren. Wobei hier Bottom-up auch viel effektiver wirkt: Sich zu sagen, dass man gähnen will, funktioniert längst nicht so gut, wie das Simulieren, Zuschauen oder Zuhören beim Gähnen.

Zum Weiterlesen:
▶️ Gähnen und Selbstwahrnehmung
▶️ Entspannen » Meditation 1: Kontakt zu dir in 3 Schritten via Handmitte
▶️ «Das verlorene Gähnen» von Franz Hohler

3 Gründe, warum Bottom-up-Regulation wirksamer ist

1. Der Körper signalisiert schneller, als der Kopf verstehen kann

Dein Nervensystem reagiert blitzschnell auf Reize. Es braucht unmittelbare, verkörperte Erfahrungen, um sich sicher zu fühlen – z. B. über den Atem, Wärme oder Erdung. Du hast alle deine Sinne zur Verfügung, um dir zu kommunizieren, dass du sicher bist. Genauso, wie dein Nervensystem auf Sinneswahrnehmung als Gefahrmeldungen reagiert, ist es auch für Wahrnehmungen empfänglich, die signalisieren, dass alles gut ist.

2. Echte Regulation entsteht nicht durch Denken, sondern durch Spüren

Nur was spürbar ist, ist auch veränderbar. Bottom-up gibt dir Werkzeuge, die du im Moment einsetzen kannst – ohne Umweg über Gedanken. Atemtherapie schult die Sinneswahrnehmung, fördert dich darin, bewusst Veränderungen wahrzunehmen. Dabei übst du, zu beobachten, statt zu bewerten, was du erlebst. Das entlastet und öffnet neue Erfahrungsräume. Mit Körperwahrnehmung verbündest du dich mit deinem Nervensystem und lernst Möglichkeiten kennen, wie du mit Berührung, Bewegung und Atem gezielt dafür sorgst, dass du dich wohl und sicher fühlst im Körper. Reden wir darüber, welche Möglichkeiten Atemtherapie für dich bereit hat:

3. Weil du dich selbstwirksam erlebst

Wenn du deinen Atem spürst, deine Füsse auf dem Boden, deinen Herzschlag, dann entsteht eine Wahrnehmung bzw. ein Gefühl von «Ich bin da. Ich bin in mir.» Das stärkt dein Selbstvertrauen und deine Fähigkeit, dich selbst zu regulieren und dir Orientierung und Sicherheit zu verschaffen. Genau darum geht es in der Atemtherapie und in kleinen, individuell für dich passenden Schritten machen wir uns auf zu deinem Ziel.

Wie kann der Atem helfen, das Nervensystem zu regulieren?

Der zugelassene Atem – also nicht kontrolliert, nicht forciert, sondern bewusst erlebt – ist ein kraftvolles Instrument zur Selbstregulation.

Warum?

  • Weil er immer da ist
  • Weil er ein direkter Kanal zum Vagusnerv ist (der wichtigste Nerv für Entspannung)
  • Weil du über den Atem wahrnehmen kannst, was gerade ist, ohne es verändern zu müssen

Ein Atem, der durch alle deine Körperräume schwingt, vermittelt deinem Körper Sicherheit. Der Kopf muss das nicht verstehen. Einfach beobachten. Es wirkt!

Fazit: Mehr Sicherheit durch Spüren statt Denken

Du musst dich nicht zwingen, ruhig zu sein. Du musst dich nicht ständig selbst überzeugen, dass alles okay ist. Dein Körper weiss, wie Regulation geht – wenn du ihm Raum gibst. Vielleicht hast du das verlernt oder selten zur Verfügung. Mit Atemtherapie bekommst du die Möglichkeit, dich zu üben und wieder zu lernen, wie du dich mit deinem Nervensystem verbündest, damit du dich wohl und sicher fühlst im Körper.

Das funktioniert über die Bottom-up-Regulation: Dein Körper schickt Informationen an deinen Kopf: Du nimmst dich selbst wahr, in deinem Rhythmus, in deiner Zeit. Du erlaubst deinem Nervensystem, sich von innen heraus zu beruhigen. Dafür kannst du Atemübungen und Mikropausen nutzen oder dich mit Atemtherapie begleiten lassen.

Zum Weiterlesen

Atmung und Herzschlag beeinflussen die Wahrnehmung. SNF-Studie 2024 ↗️

Deb Dana: Der Vagusnerv als innerer Anker. Angst und Panik überwinden. Ruhe und Stärke finden. Kösel 2022 ↗️

Wecke jetzt deinen Atemsinn mit einer Zufallsmikropause 🥱

Atemfluss
statt
Atemstau

Rolle «sch» tönend deine Hüft­knochen ⏰ bis es genügt.

Mikropause 82’286 von 531’441.

Mikropause des Tages am 11.05.2025

 

Erlebe dich ⏳ in einer Minute zwischendurch

  • als ganzer Mensch
  • im Kontakt zu dir
  • mit allen Sinnen

… damit es dir gut geht vor dem Bildschirm 👣

Mehr Mikropausen

Teile mit uns, was dir gerade durch den Kopf geht.

Wenn du bis jetzt noch nicht gegähnt hast, lies hier weiter: