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Was sagt die Forschung? 3 Studien, wie Atemübungen aufs Nervensystem wirken

Atemübungen Nervensystem Studien: Foto von Händen auf Brust und Bauch
Atemtherapie • Atemübungen • Mikropausen •

Atemtherapie als Methode der Komplementärtherapie gehört zur Erfahrungsmedizin. Diese ist «beliebt, wird häufig in Anspruch genommen und als erfolgreich erfahren», finden Schweizer:innen.[1] Wie steht es mit den «harten Fakten» dazu? Hier stelle ich dir 3 Studien vor, die belegen, welche Wirkung Atemübungen auf dein Nervensystem haben und teile meine Sicht als Atemtherapeutin mit dir.

Die Wirkung von Atemübungen auf das Nervensystem des Menschen ist wissenschaftlich von Interesse: Etwa 1500 Studien weltweit befassen sich mit dem direkten Zusammenhang von Atemübungen und dem Nervensystem. Werden weitere Themen mit Bezug zum Atem einbezogen (Stress; Herzratenvariabilität, HRV; Emotionen; Meditation; Achtsamkeit oder chronische Erkrankungen), sind es über 5000 Studien.[2]

3 Studien zum Einfluss des Atems auf das Nervensystem

Vorbemerkung: Was ist eine Atemübung?

Auf diese Frage gibt es diverse Antworten. In meiner Praxis als Atemtherapeutin nach Middendorf ist eine Atemübung eine Sequenz, in der über Bewegung, Berührung und unvoreingenommene Körperwahrnehmung angeleitet oder selbstständig erfahren wird, was sich gerade zeigt. Die Atemphasen werden nicht willentlich gesteuert.

Für den Begriff Breathwork aus den Studien habe ich die Übersetzung Atemübungen gewählt. In den Studien sind die angewendeten Techniken (mit willentlicher Ansteuerung) zur Verlängerung des Ausatems beschrieben. «Langsame Bauchatmung» trifft es m.E. am besten. Wenn von langsam die Rede ist, bedeutet das ca. 4-6 Atemzüge pro Minute.

Zum Weiterlesen:
▶️ Einstieg in eine Atemübung: So gelingt dir eine achtsame Erfahrung
▶️ Der Gehalt einer Atemübung und wie du diese Reise nach innen auskostest
▶️ Nachspüren als Teil der Atemübung: So kommt das Erfahrene im Bewusstsein an
▶️ Alle Atemübungen: Anleitungen auf dem Atemblog

Studie 1 (Metaanalyse): Atemübungen reduzieren Angst, Stress und Depression (2023)

Metaanalyse zur Bewertung der Wirksamkeit von Atemübungen. (Eine Metaanalyse fasst die Resultate von mehreren Studien zusammen und wertet diese aus. Alle berücksichtigten Resultate stammen aus randomisierten, kontrollierten Studien ↗️ [Randomized controlled Study, RCT].) Alle Studien untersuchten den Einfluss von Atemübungen auf das Nervensystem bei Stress.

  • Umfang: 12 Studien mit insgesamt 785 erwachsenen Teilnehmer:innen wurden bei der Metaanalyse berücksichtigt. Laut Verfassern die erste randomisierte, kontrollierte Studie zum Thema Atemübungen und Stress.
  • Forschungsfrage: Wie wirken sich Atemübungen auf selbstberichteten/subjektiven Stress aus? Welches therapeutische Potenzial ergibt sich daraus?
  • Messgrössen: Selbstberichte
  • Hauptaussage: Langsames, bewusstes Atmen senkt Stress, Angst und depressive Symptome. Atemtechniken haben das therapeutische Potenzial, die psychische Gesundheit zu verbessern.
  • Fazit: Diese Metaanalyse ergab signifikante, kleine bis mittlere Effekte von Atemübungen auf selbstberichteten/subjektiven Stress, Angst und Depression im Vergleich zu Kontrollbedingungen ohne Atemübungen. Atemübungen könnten einen Teil der Lösung darstellen, um den Bedarf an zugänglicheren Ansätzen im Gesundheitswesen zu decken. Die Verfasser bezeichnen ihre Erkenntnisse als vorläufig und warnen davor, den allgemeinen breathwork hype generell über die wissenschaftlich erlangten Belege zu stellen.

Quelle: Meta-Analyse (2023): Effect of breathwork on stress and mental health: A meta-analysis of randomised-controlled trials [Wirkung von Atemübungen auf Stress und psychische Gesundheit: Eine Metaanalyse randomisierter kontrollierter Studien] Naveen et al., Scientific Reports, 2023 ↗️

Studie 2: Langsame Atmung beruhigt bei Angst (2025)

Langsame Atmung beruhigt bei Angst, weil körperliche Anspannung reduziert wird. Dies ist aus Erfahrung und aus früheren Studien bekannt. Trotzdem wurden bisher die psychologischen und neurophysiologischen Mechanismen von langsamer Atmung bei Angst nicht systematisch erforscht.

  • Umfang: 27 Erwachsene in Experiment, das schnelle/langsame Atmung mit Bedrohung und Unsicherheit kombinierte.
  • Forschungsfrage: Welche Rolle spielt langsame Atmung bei der Regulierung von Angstzuständen?
  • Messgrössen: Selbstberichte, physiologische Messungen, z.B. Herzfrequenz ↗️, Zeit-Frequenz-Bereich des EEG ↗️, Atemfrequenz ↗️
  • Hauptaussage: Langsame Atmung reduziert Angst.
  • Fazit: Langsame Atmung hat eine stimmungsregulierende Wirkung und reduziert Angstzustände. Dieses Resultat bestätigt frühere Studien. Neu ist der Nachweis eines direkten Zusammenhangs zwischen Atemfrequenz und Bedrohungssituation mittels Messdaten in Gehirn und Körper.

Quelle: Studie (2025): The effect of slow breathing in regulating anxiety [Regelmässiges tiefes Atmen verbessert die Fähigkeit, mit emotional belastenden Situationen umzugehen]: Sakakibara et al., Nature Scientific Reports, 2025 ↗️

Studie 3: Atemübungen erhöhen die Aktivität des Ruhenervs (2021)

Das vegetative Nervensystem ↗️ wird im parasympathischen Ast v.a. vom Vagusnerv ↗️ gesteuert. Die Herzratenvariabilität ↗️ ist ein Marker für die Balance und bezieht sich auf die Variation der Zeiten zwischen aufeinanderfolgenden regulären Herzschlägen.

  • Umfang: 71 Teilnehmer:innen (30 ältere Erwachsene, 41 jüngere Erwachsene)
  • Forschungsfrage: Wie wirkt sich Bauchatmung bei älteren Menschen auf physiologischen Stress aus?
  • Messgrössen: Fragebögen, physiologische Messung der HRV-Indizes
  • Hauptaussage: Langsame Bauchatmung verbessert die Herzratenvariabilität und aktiviert den Vagusnerv. Bei älteren Erwachsenen hatte die langsame Bauchatmung einen stärkeren Effekt auf die vagale Aktivität als bei den jüngeren.
  • Fazit: Langsame Bauchatmung wirkt bei der Bewältigung von akuten Angstzuständen und könnte darüber hinaus die längerfristigen gesundheitsschädlichen Risiken von Angst abschwächen. Erhöhte Vagusaktivität hat besonders im Alter Vorteile: Bessere kognitive Leistungsfähigkeit und Emotionsregulation.

Quelle: Studie (2021): Benefits from one session of deep and slow breathing on vagal tone and anxiety in young and older adults [Schon eine Sitzung langsamer Atmung erhöht die vagale Aktivität (Entspannungsnerv)]. Laborde et al., Scientific Reports, 2021 ↗️

Wie du Atemübungen nutzen kannst

Atemübungen wirken auf das Nervensystem, das ist aus Erfahrung und wissenschaftlich unbestritten. Es gibt dazu Tausende von Studien, von denen ich dir hier 3 vorgestellt habe, wie v.a. langsame Bauchatmung beruhigend, spannungs- und angstlösend wirkt.

Atemübungen mit langsamer Bauchatmung / einem verlängerten Ausatem aktivieren den Teil des autonomen Nervensystems, der für Ruhe usw. zuständig ist, v.a. den Vagusnerv. Bei Angst, Anspannung oder Stress kannst du dir das zunutze machen und dir Raum für Veränderung schaffen.

Hier eine Auswahl von Atemübungen, die ganz natürlich deinen Ausatem verlängern und dich direkt beim Regulieren unterstützen:

Als Atemtherapeutin denke ich mir jetzt: Das ist ja nichts Neues! Menschen wussten das aus Erfahrung schon vor Tausenden von Jahren und wendeten Techniken für sich an, die bis heute überliefert sind. Gut für unseren Kopf, wenn es die Wissenschaft nun auch bewiesen hat, was aus Erfahrung wirkt. 😉

Wissenschaft und Erfahrung zum Weiterlesen

Internet

Weitere Studien zur Wirksamkeit von Atemtherapie, Atemübungen und dem Einfluss der Atmung auf das Nervensystem (Deutsch):

Bücher

Meine Auswahl von Büchern, die gut recherchiert und erfahrungs- oder studienbasiert sind:


Quellen:

[1] KAM-Barometer 2024 ↗️ des EMR Erfahrungsmedizinisches Register. (Befragung der schweizerischen Bevölkerung über die Komplementär- und Alternativmedizin)

[2] Stand 2024, laut Datenbanken wie PubMed, ScienceDirect und Google Scholar. Auskunft von ChatGPT am 21.4.2025.

Zum Weiterlesen:
▶️ Was ist Atemtherapie? Erfahre 5 lebensverändernde Fakten!
▶️ Was ist Komplementär-Therapie? Ganzheitliche Therapie mit 3 stärkenden Zielen
↗️ 5 Studien zu Mikropausen: Warum kleine Pausen wichtig sind für Gesundheit und Wohlbefinden

Jetzt bist du dran!

Wie wichtig ist dir, was die Wissenschaft sagt? Traust du eher deiner Wahrnehmung oder der Statistik? Ich bin gespannt auf deine Erfahrungen mit dem Atmen und seiner Wirkung aufs Nervensystem und lese gerne unten im Kommentar ⤵️ von dir.

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