Blogparade #8sammeln

Schreiben: 10 Momente des Glücks [#warum­ichschreibe]

Titel: Schreiben: 10 Momente des Glücks. Hintergrundbild: Koreanische Kalligrafie

Gabi Kremeskötter ist freie Rednerin, Dozentin für kreatives Schreiben, Korrektorin, Lektorin und Autorin. In ihrer Blogparade lädt sie zum Thema #warumichschreibe ein: «Warum schreibst du – und welche Geschichte steckt hinter deinem Blog?».

Oh. Ich werde mich auf 10 Glücksmomente beschränken. Das war auch die Ansage in der Schule: «Schreibt einen Aufsatz zum Thema XY. Mindestens 1 1/2 A4-Seiten. Susanne: maximal 7 Seiten!»

Die andere Geschichte: Die Primarschüler:innen meiner Mutter beklagen sich, sie wüssten nicht, was schreiben im Aufsatz. Meine Mutter: «Ich bringe euch mal den Stift meiner Tochter, der schreibt von selbst.» – Es funktionierte!

«Ich brauche keinen Wecker. Meine Ideen wecken mich auf.»

Ray Bradbury

10 Momente des Glücks im Schreiben

Beim Schreiben geht mir nichts auf den Wecker, nur beim Lesen. Das Schreiben selbst ist mein Ventil mit Bewegung und Flow – Momente, in denen ich als ganzer Mensch ganz dort bin, wo ich bin und tue, was ich tue. Wie macht mich das ganz? Warum macht es mich glücklich? Wieso erfüllt es mich? Wie schreibe ich am liebsten? Hier kommen meine 10 Glücksmomente, einige davon längst vergangen, andere immer wiederkehrend. (Das Beitragsbild zeigt koreanische Kalligrafie.)

  1. Ich liebe Schreibgeräte, Notizbücher, Papier, Schreibmaschinen, Textverarbeitungsprogramme, gedruckte Bücher, Layoutfragen und alle Details der Typografie (die ich selbst nicht wirklich gut kenne, mich aber danach sehne).
  2. Mich faszinieren Schriften, Schreibweisen und Codes. Das geht von Handschriften über die Notenschrift in der Musik bis zu den unterschiedlichen Alphabeten und Programmiersprachen – das ist magisch! Ich schreibe etwas und lasse es dadurch geschehen. (z. B. mein Mikropausengenerator, der Sätze zusammenbaut, für die es nur ein simples Skript braucht und schon haben wir eine Auswahl von über einer halben Million Mikropausen-Ideen.)
  3. Als ich mir selbst die «Schnürlischrift» beibrachte, konnte ich mir nichts Schöneres vorstellen im Leben, als einfach zu schreiben. Schreiben meint: Meinen Lebensfluss dokumentieren – so habe ich z. B. bei meinem Carbon-Alphorn (mein Unterwegs-Instrument) seit 10 Jahren ein Büchlein, in das ich notiere, wann ich wo mit wem spiele. Natürlich mit einem Bleistift (den ich 1997 in Südkorea erstanden habe. Der müsste eigentlich Bleibstift heissen.)

Atemübungen. Mikropausen •

  1. Bleistifte sind meine Passion: Sind sie rund, sechseckig oder dreieckig? Wie liegen sie in der Hand? Ist ihre Mine weich, hart, brüchig oder folgsam? Wie klingt meine Schreibbewegung? Kratzt es, fliesst es oder schmiert es? Bleistifte haben magische Gerüche: Nach Holz, Gummi, Grafit oder schmierigen Händen. Gerne beobachte ich, was Bleistifte alles erleben: Werden sie zu Stummeln niedergespitzt? Wird darauf herumgekaut? Wurden sie zu Boden geschmissen?
  2. Alphabete sind mein Wohlfühl-ABC: Vom IPA [Internationales Phonetisches Alphabet] über die Brailleschrift [mit all ihren Systematiken], über Silbenschriften bis hin zur Frage der Schreibrichtung schmeichelt der Buchstabenanblick meinen Augen und meinem Geist.
  3. Ein Zeichen ist auch immer genau seine Spiegelung. So jedenfalls in der Sechspunkteschrift von Louis Braille. Diese kann von Hand mit der Schreibtafel geprägt werden. Dann wird jedes Zeichen spiegelverkehrt von rechts nach links geschrieben (damit die geprägten Punkte dann wieder in der konventionellen Schreibrichtung und Punktezusammensetzung tastbar sind). Als Primarschülerin musste ich lernen, dass man nur mit der rechten Hand von links nach rechts schreibt. Mit der linken Hand von rechts nach links war nicht gefragt. Ich allerdings fragte mich, warum das denn schlechter sein sollte, als sein Gegenteil.
  4. Im Sinologiestudium lernte ich, wie die chinesischen Zeichen geschrieben werden. Die Reihenfolge der Striche, die Zusammensetzung der einzelnen Zeichen. Ich lernte die Langzeichen, die alte Schreibweise, die in Taiwan noch so verwendet wird. Da steckt noch das ganze ursprüngliche Wort im Zeichen drin. Das waren die schönsten Stunden. Fliessend auswendig schreiben auf Chinesisch hingegen ein Ding der Unmöglichkeit.
  5. «Wotsch en Brief so schrib en Brief!» [Willst du einen Brief erhalten, so schreib einen Brief] Als Teenager hatte ich unzählige Brieffreundschaften auf der ganzen Welt. Eine heute lustige Anekdote ist der Brieffreund in Russland, der mir meine Briefe korrigiert wieder zurückschickte. Mit meiner Brieffreundin in Bulgarien verbinden mich Jahrzehnte des Briefeschreibens.
  6. Handschriften sind einzigartig: Wer etwas von Hand niederschreibt, der zeigt sich. Meine eigene Handschrift ist notorisch chaotisch bis unlesbar, z. T. zu minimalistisch. Ich will schneller schreiben, als die Hand sich bewegen kann. Manchmal muss ich dann ins Buchstabieren zurück, um ein Wort zusammenzukriegen. Zum Glück gibt es das Zehnfingersystem, so kann ich Tempo machen. Handnotizen sind aber ein unerreichtes Lebensgefühl!
  7. 2013 habe ich meinen allerersten Blogartikel veröffentlicht. Ich wanderte in Südfrankreich auf dem Sentier Cathare. Tagsüber wanderte der Körper. Nachts wanderte der Geist. Die schweifenden Gedanken und alles, was mir unterwegs zuflog, musste ich festhalten. So wurde ich zur Bloggerin. Heute blogge ich aus einem Lebensgefühl heraus: Ich will schreiben, was mir durch den Kopf geht. Und da ist immer viel los. Ohne Schreiben, diese klärende Kraft, wäre mein Kopf gefühlt schon längst explodiert.

Vor ein paar Jahren dachte ich, mein Blog müsse Probleme lösen. Probleme, die meine Klientinnen und Klienten haben, googeln und so zu mir finden. Heute finde ich: Ja, ab und zu. Es ist mein Blog, mein Business, ich bestimme, was hier läuft und es darf Spass machen, lustig sein oder auch skurril. Ich mag den Austausch, das lebendige Entstehen von Fragen und Antworten. Ich zeige mich mit meiner grössten Liebe, der Liebe zur Sprache, zum Text, zum Schreiben. So dürfen mich die Interessierten kennenlernen, hinterfragen und eintauchen in meine Welt. Wer will, der soll, wer nicht mag, zieht weiter.

Als Atemtherapeutin «muss» ich z. B. Atemstunden vorbereiten, Protokolle schreiben und Klientendossiers führen. Da bin ich recht minimalistisch. Handnotizen, die mir Stichworte geben zu dem, woran wir gearbeitet haben. Da ich es erfahren habe, braucht es keinen Roman dazu, um mir in Erinnerung zu rufen, was war. Zudem wird das, was wirklich wichtig ist, sowieso wiederkehren oder einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Im Alltag nutze ich das Schreiben als Braindump: Einfach aufschreiben, was im Kopf kreist und schon kann ich mich wieder besser auf das konzentrieren, was an Aufgaben vor mir liegt. Wenn mein Ideenwecker klingelt, dann notiere ich mir das halt kurz. Makulatur trägt zu meinem Seelenfrieden bei. Bei jedem Blatt kann ich die Rückseite noch zum Kritzeln verwenden.

Träume aufschreiben: Das ist praktisch, denn selbst wenn der Kern des Traums auch ohne Aufschreiben hängenbleiben würde, kann ich mit den Notizen gleich nach dem Aufwachen einfach mehr davon einfangen. (Wenn ich mich überhaupt an etwas Aufschreibbares erinnern kann.) Was einmal aufgeschrieben ist, das gilt. Das zählt. Das erhält Gewicht.

Warum schreibst du? Oder warum schreibst du nicht? Schreib mir in einem Kommentar, was das Schreiben mit dir macht und du mit dem Schreiben. Wie riecht es? Wie fühlt es sich an? Wie klingt es? Das bringt mich jetzt gerade auf eine Idee: Mein nächstes 8sammeln werde ich handschriftlich machen.

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